Nachdem mich einige Nachfragen erreichten, habe ich mich dazu entschieden, einen weiteren Artikel über Katalonien zu veröffentlichen.
Des weiteren habe ich mich dazu entschieden für Katalonien einen eigenen Menüpunkt anzulegen. Den findet ihr hier.
Es ist ein kleiner Artikel geworden, der zum einen einen groben Rundumschlag über die Unabhängigkeitsbewegung gibt und zum anderen aufzeigt, warum Katalonien nur sinnbildlich für die aktuelle weltweite Krise des Kapitalismus steht. Am Ende zeige ich noch auf, warum auch wir hier in Deutschland von der Situation in Katalonien profitieren können, indem wir uns nämlich neu aufstellen und den „Pseudolinken“ die Zusammenarbeit verweigern.
Doch kommen wir zur aktuellen Situation in Spanien.
Am Dienstag hat Puigdemont wie erwartet die Unabhängigkeit erklärt, um sie allerdings direkt danach für einige Wochen auszusetzen, um weiterhin Möglichkeiten offen zu halten, für einen Dialog mit der spanischen Regierung.
Die Meinungen, wie das gewertet werden kann, gehen weit auseinander. Selbst ich bin nicht sicher, was Puigdemont für Absichten hat und was nun gerade wirklich hinter verschlossenen Türen im katalanischen Parlament ausgehandelt wurde. Die CUP-Partei, eine linksradikale Partei, ein Zusammenschluss von Grasswurzelbewegungen, sozialen Bewegungen, die fast alle basisdemokratisch organisiert sind und einigen kommunistischen Gruppen, die allesamt die Unabhängigkeit unterstützen, hat erklärt, dass sie die Aussetzung der Unabhängigkeit falsch finden und sie fragen, für mich zu Recht, mit wem sie denn einen Dialog führen sollen? Denn Katalonien versucht genau das seit etlichen Jahren und Rajoy weigert sich diesen Dialog zu führen. Stattdessen antwortet der spanische Zentralrat auf alle Versuche der Katalanen sozialere und demokratischere Politik zu machen mit Verboten und Repression. Eine überaus logische Antwort im Kapitalismus. Denn sozialere Politik und mehr Demokratie sind schlecht für die Wirtschaft.
Ein Teil der Bevölkerung, vor allem die jüngeren Leute, Studenten und diejenigen, die auf der Straße aktiv sind, empfinden Puigdemonts Bitte um Dialog als Verrat an den eigenen Ideen und Zielen. Die Bewegung scheint kurz vor der Spaltung zu stehen, doch bis jetzt hört man nichts offizielles darüber.
Auf der anderen Seite gibt es sehr wohl einige Dinge, die man ganz offiziell berichten kann. Zunächst einmal bietet die Erklärung der Unabhängigkeit von Katalonien eine Menge Raum für Anarchismus. So soll u.a. die Verfassung in Vollversammlungen von allen Bürgern erarbeitet werden. Dort könnten ganz grundsätzliche Dinge wie das Recht auf Wohnen, Nahrung, Wasser, Bildung und Internet festgeschrieben werden.
Die Erklärung des Präsidenten der katalanischen Nationalversammlung Jordi Sánchez enthält sowohl die Aufforderung absolut friedlich zu bleiben, als auch einen Verweis darauf, dass ein Generalstreik drohen könnte. Des weiteren verweist Sánchez auf die basisdemokratischen Netzwerke, die auch das Referendum durchgeführt haben und bittet alle darum, in den nächsten Tagen aufmerksam und mobilisierungsfähig zu bleiben. Ebenfalls erwähnt er die demnächst anstehenden Verhandlungen gegen hochrangige Minister und einen Chef der Mossos (katalanische Riotcops), die von einem spanischen Gericht sehr wahrscheinlich zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt werden. Er vermutet, dass er und andere als Geiseln vom spanischen Zentralstaat benutzt werden. Das deckt sich in etwa mit meiner Einschätzung.
Die EU hält sich offiziell weiterhin vornehm zurück, doch mehr und mehr Länder äußern sich nun unabhängig davon zum Konflikt in Spanien und fordern eine Unterstützung der Katalanen. Die demokratische Maske der kapitalistischen EU droht herunter zu rutschen. Der Konflikt in der bisher heftigsten Krise des Kapitalismus in Europa und den USA droht mitten in Europa, in der viertstärksten Wirtschaftsmacht komplett zu eskalieren.
Denn nirgendwo wird aktuell deutlicher, wer mit wem gegen wen agiert. Der Kapitalismus und der Faschismus marschieren geschlossen in Katalonien ein und nehmen die Region auseinander. In ganz Spanien mehren sich die Meldungen über militante Aktionen von Faschisten. Sie alle bekommen aktuell Bestätigung aus der spanischen Politik, die lieber prügelt, als redet. Das Kapital droht mit Verweigerung in Katalonien. Banken und Konzerne wandern ab, die EU würde im Nu den Geldhahn zudrehen können.
Doch die Katalanen sind schon immer sehr kreativ in ihrem Widerstand gewesen und sehr gut organisiert. Den Faschos treten sie mit absoluter Masse entgegen oder in sehr gut organisierten Strukturen oder sie ignorieren sie komplett, wie am 8.10.2017.
Der Kapitalflucht antworten sie mit lokalen Strukturen. Sie machen aus jeder Not eine Tugend und genau hier erkennt man auch den Anarchismus, der in Katalonien immer schon tief verwurzelt war.
Rajoy musste laut spanischem Gesetz die Rückfrage zur Unabhängigkeit stellen und spielte den Ball also bereits am nächsten Tag zurück in Puigdemonts Feld. Der wiederum schwieg sich bisher aus. Bis Montag, den 16.10.2017 um 10 Uhr muss er sich geäußert haben. Rajoy hat bereits den Artikel 155 eingeleitet, mit dem er Katalonien den Autonomiestatut offiziell aberkennt, allerdings sagen viele Katalanen, dass das nun eigentlich mehr eine Formsache ist, da Rajoys Regierung in den vergangenen Jahren schon einen Zustand geschaffen hat, in dem die Autonomie Kataloniens nicht mehr wirklich vorhanden ist.
Was Rajoy tut, wenn Puigdemont die Frist verstreichen lässt ohne sich zu äußern, ob dieser sich äußern wird und wie sich dann die Bevölkerung verhält, das alles steht in den Sternen.
Letzten Endes hängt es aber natürlich von uns allen ab. Von der Masse! Von denen, die in Katalonien wohnen, ebenso wie von uns hier und den Menschen in den USA und in Asien. Der Kapitalismus agiert global und der Widerstand dagegen tut es eben auch, oder sollte es zumindest tun.
Ich bekomme jetzt nun doch die eine oder andere Nachricht, in der Leute mir schreiben, dass sie meine Einschätzungen teilen und aktiv werden wollen.
Und genau darüber werde ich morgen, am 15.10.2017 um 18 Uhr in meiner Livesendung reden. Die Sendung wird aufgezeichnet und ist anschließend ebenfalls unter diesem Kanal abrufbar. Außerdem hab ich schon einige Sendungen über Katalonien gemacht, die ihr ebenfalls dort findet.
Aber ich möchte hier schon mal einige Ideen ankündigen, für diejenigen, die die Sendung aus irgendwelchen Gründen nicht sehen können.
- Bauen wir ein eigenes Netzwerk auf, bei Google.
- Bilden wir Arbeitsgruppen dort für Facebook-Seiten, Twitter-Accounts, Blogs, Telegram-Info-Kanäle, YouTube-Kanäle, Übersetzungen, Vernetzungen mit spanischen Aktivisten, usw..
- Sammeln wir mit diesen Accounts und Werkzeugen neue Interessierte ein, die wir in unser Netzwerk bei Google integrieren, wenn sie mitarbeiten wollen.
- So finden sich irgendwann genug Leute aus einer bestimmten Region, die sich dann auch offline zusammentun können, um aktiv zu werden.
Wer sich mit dieser Arbeitsweise auseinander setzen möchte, sollte sich über 15M, Anonymous und Occupy informieren und wie diese Bewegungen damals entstanden sind. Zur weiteren Recherche empfiehlt es sich natürlich auch sich mit dem Begriff des Anarchismus vertraut zu machen. Es gibt verschiedenste Organisationsmodelle, wie man auch in großen Gruppen agieren kann, ohne dass einer der Chef ist oder es Hierarchien gibt. Und gerade in Zeiten des Internets ist dies erst Recht möglich.
Hier findet ihr diverse Möglichkeiten mich zu kontaktieren, aber am schnellsten geht’s bei Twitter. 😉
Am 18.10.2017 fliegen wir erneut nach Barcelona, um von dort aus live Bericht zu erstatten über die Situation dort. Da wir in der Vergangenheit zwei Mal auf sehr unsolidarische Art und Weise ausgenutzt wurden und uns dadurch ein ziemlich großer, finanzieller Schaden entstanden ist, ist es für uns aktuell sehr schwer, die Berichterstattung aufrecht zu erhalten. Wir können, auch aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr so viel lohnarbeiten gehen, wie noch vor einigen Jahren und dann kommt noch der Zeitfaktor hinzu, denn je mehr Arbeit, je weniger Zeit für Reisen in andere Regionen, um von dort zu berichten. Daher haben wir uns dazu entschieden, für die Kosten der Berichterstattung (Handyrechnungen, Kauf von Elektrogeräten zum Dokumentieren, Reisekosten, etc.) um Spenden zu bitten. Auch sehr kleine Beträge helfen uns weiter und ermöglichen uns besser und professioneller zu berichten. Den Link zu unserer Crowdfunding Kampagne findet ihr hier. Wer kein Geld spenden kann, darf gern den Link zur Kampagne mit einer Bitte um Spenden in den eigenen Netzwerken verbreiten. Dafür darf natürlich unser Material genutzt werden. Wir freuen uns über die Verbreitung unserer Artikel, Videos, Tweets und Postings. Wir bedanken uns bei allen, die uns bisher unterstützt haben. Ohne euch wäre unsere Arbeit nicht möglich.
Ich freue mich über eure Unterstützung diesen Text bekannter zu machen:
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