Alternative Medien der autonomen Szene


Aufgrund immer wiederkehrender Diskussionen über Livestreams, Fotos, Videos und anderen Möglichkeiten der Dokumentation von Demonstrationen und Aktionen der linken Protestszene möchte ich hier gerne ein paar Worte zu verlieren.

Oft höre ich von „Linken“: „Wir wollen keine Presse. Bitte keine Fotos machen. Livestreams gehen gar nicht.“ usw. Die Gründe dafür sind eindeutig und nicht von der Hand zu weisen. Gehen wir darauf als erstes ein.

Die Gründe gegen eine Dokumentation der eigenen Arbeit

1. Wer sich an politischen Aktionen beteiligt, auch wenn sie innerhalb eines legalen Rahmens passieren, dem drohen Repressionen durch den Staat. Entstehen bei einer solchen Aktion Dokumente, die die eigene Teilnahme belegen können, setzt man sich dieser Gefahr der Repression aus.

2. Speziell die Antifa hat große Probleme mit der Dokumentation ihrer Aktionen, denn die Anti-Antifa, ein Teil der rechten Szene, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Antifa auszuspionieren und zu zerstören, ist erfreut über alles an Material, was sie zur Identifizierung benutzen kann.

3. Manchmal eskaliert eine eigentlich friedlich geplante Demonstration durch verschiedene Umstände. Werden dann Videos oder Fotos gemacht, kann es passieren, dass man eigene Genoss*Innen bei einer Straftat, wie z.B. das Werfen von Steinen oder ähnlichem, festhält und so dem Staat Material liefert, was er gegen die betroffenen Personen einsetzen kann.

Natürlich sind alle diese Gründe gerechtfertigt und ernst zu nehmen. Nichts desto trotz kommen wir nicht ohne Presse und vor allem nicht ohne eigene Medien aus.

Die Gründe für eine Dokumentation der eigenen Arbeit

1. Die Mainstream Medien berichten nicht objektiv über uns. Jede/r der/die sich schon mal an einer Demonstration beteiligt hat und anschließend in den Medien Berichte darüber gesehen oder gelesen hat, wird wissen wovon ich spreche. Oftmals stimmen die Teilnehmerzahlen nicht, die Inhalte werden nur selten vermittelt und im schlimmsten Falle wird eine Eskalation falsch dargestellt. Häufig eskalieren Demonstrationen durch ein ungerechtfertigtes Vorgehen der Polizei. Die Mainstream Medien stellen dies aber im Normalfall genau anders herum dar. So heißt es dann nicht selten: „Autonome Krawallmacher sorgten mit Steinwürfen für eine Eskalation der Demonstration.“

2. Warum organisieren wir Demonstrationen? Doch eigentlich deshalb, weil wir für unsere Themen, Anliegen und Inhalte Öffentlichkeit schaffen wollen. Findet eine Demonstration statt, erreichen wir dann im besten Falle diejenigen die am Rande der Demonstration wohnen oder durch Zufall dort entlanglaufen. Wenn aber eine große Menge von Menschen auf die Straße geht, so kann es passieren, dass die Demonstration weit über die Grenzen der Stadt, in der sie stattfindet, Öffentlichkeit bekommt. Gott sei Dank! Viele Menschen erfahren im Nachhinein von der Demonstration und haben Fragen, wollen Hintergrundinformationen und suchen dann natürlich nach Berichten, Fotos und Videos im Netz. Wenn wir keine eigenen Medien haben, werden diese Menschen nur die Berichte der Mainstream Presse finden. Dass diese unsere Inhalte nicht korrekt wiedergibt, hatte ich ja gerade schon erläutert.

3. Die Dokumentation der eigenen Arbeit ist auch für uns selbst hilfreich. So können wir mit dieser Hilfe im Nachhinein reflektieren und aufarbeiten was schief gegangen ist. Wir können Vergleiche stellen, zwischen der Arbeit der linken Szene vor 20 Jahren und heute. Kurz, wir können uns selbst, wenn wir uns konstruktiv kritisch hinterfragen, weiterentwickeln.

4. Wenn wir die Dokumentation selbst übernehmen, können wir Fotos verpixeln, bei Livestreams die Auflösung so einstellen, dass niemand zu erkennen ist und selbst entscheiden, was wir wie dokumentieren.

Welche Lösungen bieten sich an?

Hören wir auf die Gegner*Innen der Livestreams und verzichten auf eigene Presse und Öffentlichkeitsarbeit, wird sich an unserer Situation wohl nichts ändern. Wir überlassen den Medien die Deutungshoheit über unsere eigene Arbeit und werden wohl ewig in unserer eigenen Subkultur hängen, zu denen der Zutritt für „Neulinge“ unheimlich schwer ist. Denn niemand wird sich einer Gruppe anschließen, deren Ziele nicht deutlich erkennbar sind und die zudem noch nur deshalb auffällt, weil sie randaliert. Dies ist das Bild was die Mainstream Medien von uns zeichnen.

Lassen wir alle wie wild Fotos schießen und Livestreams senden, setzen wir uns selbst Repressionen durch Staat und Nazis aus. Auch dies ist natürlich keine Alternative, denn damit würden wir uns wohl ähnlich kaputtmachen, wie mit der ersten Variante.

Für mich gibt es deshalb nur eine einzige Lösung für dieses Problem. Wir brauchen einen differenzierten, kritisch hinterfragten und sich selbst immer wieder überarbeitenden Umgang mit eigenen Medien. Hierzu möchte ich gern kurz auf die Situation in Spanien eingehen, um zu verdeutlichen was ich damit meine.

Die spanische Variante

Als die Bewegung 15M in Spanien an Bedeutung gewann, reiste ein Team von Aktivist*Innen durch das ganze Land und hielt Workshops über das Livestreamen. Sie besuchten verschiedene Protestgruppen, boten ihnen Hilfestellung an und berichteten über ihre Arbeit mit den Livestreams. Sie sammelten Kontakte und erstellten so ein Netzwerk von Streamer*Innen, das sich über das ganze Land ausbreitete. Gibt es in Spanien Großdemonstrationen, an denen mehrere Städte teilnehmen, sitzen einige der Aktivist*Innen zu Hause vor ihren Rechnern und koordinieren die Streams aus den verschiedenen Städten. Sie setzen die Live-Videos gemeinsam zu einem Bild zusammen, verteilen über ihre Kanäle Informationen aus den verschiedenen Städten und halten Kontakt zu den Streamer*Innen. So garantieren sie eine lückenlose Dokumentation der eigenen Arbeit. Anders als vielfach hier dargestellt, hatte die Bewegung in den ersten Monaten sehr zu kämpfen um größer zu werden. Die größte Mobilisierung erzeugten wohl die Livestreams. Denn sie demaskierten die demokratische Fratze des Staates. Während der Demonstrationen, auf denen friedliche Menschen für Grundrechte demonstrierten, schlug der Staat mit brutaler Polizeigewalt zu. Es wurden Gummigeschosse eingesetzt, Tränengas, Wasserwerfer und Schlagstöcke, ohne dass es einen Grund dafür gegeben hätte. Die Livestreams, die dies dokumentierten, nahmen den Mainstream Medien, die verzweifelt versuchten, die Schuld für die Eskalationen den Demonstrant*Innen zu geben, den Wind aus den Segeln. Zahlreiche Spanier*Innen sagen, dass sie sich genau deshalb der Protestbewegung anschlossen. Sie waren empört über die offensichtlichen Lügen der Presse und der Politik, als sie sahen, dass junge Frauen, Kinder und alte Menschen völlig zu Unrecht brutal von der Polizei niedergeknüppelt wurden. Das Argument, dass man dies auch mit Videos hätte dokumentieren können, ist schlichtweg falsch. Ein Video lässt sich im Nachhinein bearbeiten, schneiden, etc.. Der Livestream gibt dem/der Zuschauer*In das Gefühl an einer Sache direkt teilzunehmen. Die Informationen, die über einen Livestream übermittelt werden, sind echt, ungefiltert und unzensiert.

Die Twitterei

Immer häufiger werden Aktionen, Veranstaltungen und Demonstrationen live getwittert. Das bedeutet, dass Teilnehmer*Innen alles Wichtige mit Hilfe von Tweets dokumentieren und direkt ins Netz senden, häufig inklusive Fotos. Am Beispiel Refugeecamp in Berlin möchte ich gerne aufzeigen, warum dies ein gutes Mittel der Mobilisierung ist.

Als die Refugees ihr Protestcamp auf dem Pariser Platz aufbauten, ging die Polizei mit brachialer Gewalt gegen die Flüchtlinge und ihre Unterstützer*Innen vor. Dank einiger Pirat*Innen wurden diese Übergriffe sofort dokumentiert und via Twitter ins Netz gestellt. Dies sorgte dafür, dass innerhalb von wenigen Stunden ein ziemlicher Hype auf Twitter über dieses Thema entstand. Die Botschaften gingen ins ganze Land hinaus. Die Empörung über den unmenschlichen Umgang mit den Menschen, die sowieso kaum Rechte in unserem Land haben und deren Protest mehr als jeder andere, gerechtfertigt ist, war groß und genau das mobilisierte viele Menschen in und um Berlin herum, aber auch aus vielen anderen Ecken Deutschlands, das Protestcamp zu besuchen und zu unterstützen, mich selbst eingeschlossen.

Die Mainstream Medien unter Druck

Hinzu kommt der Druck der durch die eigene Dokumentation auf die Presse ausgeübt wird. Auch hierzu ein gutes Beispiel aus Spanien: Am 25. September 2012 riefen die Spanier*Innen zur Umzingelung des Parlaments auf. Es beteiligten sich Hunderttausende von Menschen an den Demonstrationen. Die ARD berichtete zunächst gar nicht darüber. Dann fand das Thema großen Anklang in den sozialen Netzwerken, aufgrund der Livestreams, die die Demonstrationen und auch die massive Polizeigewalt dokumentierten. Die ARD reagierte und berichtete von Protesten von einigen hundert Spanier*Innen gegen die Kürzungspolitik. Daraufhin ergoss sich ein riesiger Shitstorm auf der Facebook-Seite der Tagesschau. Tausende von Kommentaren, in denen auf die Livestreams hingewiesen wurde, zeigten deutlich, dass sich die Zuschauer*Innen der Tagesschau um Informationen betrogen fühlten. Andere Medien berichteten schadenfroh über den Shitstorm, was die ARD noch weiter unter Druck setzte. Sie korrigierte sich selbst nach zwei Tagen und berichtete dann deutlich differenzierter über die Proteste in Spanien.

Mein Lösungsansatz

Ich könnte noch mehr Beispiele für das Wirken von Livestreams und eigener Dokumentation von Protesten aufzählen, aber stattdessen werde ich auf einen Lösungsansatz eingehen. Das Internet zählt definitiv zu einer der stärksten Waffen, die wir besitzen. Wir müssen nur noch lernen, damit umzugehen. Zum einen braucht es beides, die Netzarbeit und die Proteste auf der Straße. Zweitens müssen diese beiden Bereiche koordiniert zusammenarbeiten. Drittens müssen wir uns darüber im Klaren werden, wie wir die Waffe Internet einsetzen wollen, so dass sie uns bei unseren Kämpfen unterstützt und nicht behindert oder gar gefährdet. Wir brauchen einen reflektierten und vor allem strukturierten Umgang mit den neuen Medien. Wir können uns nicht davor verschließen, denn sie sind Teil unseres Lebens. Ich zähle jeden Tag mehr „linke“ Accounts bei Twitter. Ich zähle aber auch jeden Tag mehr rechte Propaganda auf Facebook und anders herum. Beachten wir also die sozialen Netzwerke und die neuen Medien nicht, laufen wir Gefahr, dass die Rechten sie mit ihrer menschenverachtenden Ideologie besetzen. Wir müssen uns darüber im Klaren werden, dass die Masse der Bevölkerung, die wir mit unseren Botschaften erreichen wollen, sich in sozialen Netzwerken aufhält. Setzen wir uns mit diesen neuen Möglichkeiten auseinander und lernen wir, wie wir sie uns zu Nutze machen können, anstatt uns ängstlich vor ihnen zu verschließen. Erfinden wir uns neu, entwickeln wir uns weiter und öffnen wir unsere Strukturen, um neuen Menschen Zugang zu uns zu ermöglichen. Die Zeit, in der wir leben, ist eine Zeit großer Verunsicherung für viele Menschen. Sie suchen nach einem Ausweg aus der alternativlosen Krise. Reichen wir ihnen die Hand und zeigen wir ihnen, dass linke Strukturen nicht bloß vermummt und gewaltbereit auf die Straße gehen, sondern sich aktiv für eine bessere und gerechtere Welt für alle einsetzen. Zeichnen wir ein eigenes Bild von uns, anstatt es den Mainstream Medien zu überlassen.

Hier findet sich ein schönes Beispiel dafür.

Der Grund für diesen Blogpost:

Gestern war ich auf einer Demonstration in Solingen, die an den rassistischen Brandanschlag vor 20 Jahren erinnerte. Die Presse war zahlreich vertreten, ebenso wie Livestreamer*Innen und Twitter*Innen.

Fotos und Videos von einigen Aktivist*Innen und der Presse:

Fotos auf Twitter

Artikel der Rheinischen Post mit einigen Fotos

Ein Video vom Solinger Tageblatt

Hier zum Vergleich die Livestreams:

http://bambuser.com/v/3617238

http://bambuser.com/v/3617318

http://bambuser.com/v/3617321

http://bambuser.com/v/3617348

Auf keinem der Livestreams lassen sich Leute identifizieren, auf den Fotos von Aktivist*Innen und der Presse schon. In meiner Timeline auf Twitter lese ich dann von Aktivist*Innen über ihre Abneigung gegen Livestreams, während gleichzeitig stolz das Video vom Solinger Tageblatt getwittert wird. Das macht mich nachdenklich und auch ein Stück weit traurig. Denn derjenige, der gestern während der Demo gestreamt hat, hat sich Gedanken gemacht, was er tut. Natürlich gibt es auch solche, die wild in eine Demo filmen und damit die Sicherheit anderer gefährden, aber das heißt doch nicht, dass wir uns vor eigenen, neuen Medien komplett verschließen müssen. Vielmehr bedeutet es, dass wir uns konstruktiv kritisch mit diesen Dingen auseinandersetzen müssen und voneinander lernen sollten. Lassen wir nicht zu, dass wir uns selbst blockieren, sondern erfinden wir uns neu im digitalen Zeitalter.

Autor: ★ Victory ★ Viktoria ★

Politisch aktiv seit 2010, im Wandel schon seit immer... :-P Hier findet ihr einen bunten Mix aus politischen und "privaten" Texten. Die Themen sind breit gefächert, aber, wie ich finde, halbwegs gut sortiert. Daher stöbert einfach mal rum und sucht euch das aus, was euch gefällt. Für mich lassen sich mein Alltag und mein Privatleben nicht vom politischen Aktivismus trennen. Denn die kapitalistischen Bedingungen haben weitreichende Folgen für jeden von uns. Der Kampf für ein besseres Leben muss in den Alltag integriert werden. Ich spreche Deutsch, Englisch und nun auch Spanisch. Dies eröffnet mir ganz neue Möglichkeiten mich zu vernetzen und zu informieren. Aktuell interessiere ich mich vor allem für die EZLN in Mexiko und natürlich die spanischen Widerstandsbewegungen. Ich würde mich als dem Anarchismus nahestehende Person bezeichnen, glaube aber nicht an fertige Lösungen, sondern nur an Ansätze, die gemeinsam mit der Bevölkerung entwickelt werden müssen. Die antikapitalistische, fertige Lösung dem jetzigen System überzustreifen, würde bedeuten, dass sich eben nichts ändert, weil sich in den Köpfen der Menschen nichts geändert hat. Ein Umdenken und der Wandel des Einzelnen sind das Einzige, was uns davor bewahrt ins Verderben zu schlittern. Denn seien wir mal ehrlich, wenn wir so weitermachen, ist der Planet in ein paar hundert Jahren spätestens sowieso unbewohnbar. Schon mein ganzes Leben lang bin ich angeeckt, weil ich mich nicht fertigen Modellen unterwerfen wollte. In der Schule nicht, in der Uni nicht, im Berufsleben nicht und schon drei Mal nicht bei linken Gruppen und Strukturen. Doch genau die sind es, die vielfach auf eine übelst autoritäre Weise jeden neuen Gedanken im Keim ersticken. Denn schon längst sind auch linke Gruppen Teil des neoliberalen, kapitalistischen Systems. Dort werden neue Gruppen eben als Konkurrenz angesehen, erst Recht, wenn sie nicht die exakt selben Vorgehensweisen haben, wie man selbst. Für mich definiert sich links sein wie folgt: "Ich informiere mich möglichst umfassend zu einem Thema und versuche mir anschließend meine eigene Meinung dazu zu bilden. Doch wann immer sich mir die Möglichkeit bietet, noch mehr darüber zu lernen, werde ich das tun und parallel dazu immer wieder an meiner eigenen Meinung arbeiten. Das kann bedeuten, dass ich im Laufe der Zeit meinen Standpunkt zu Themen mehrfach ändere. Doch das ist nichts wankelmütiges, denn es beruht auf einer Weiterentwicklung. Die Welt befindet sich in einem immerwährenden Wandel und nur, wenn auch wir bereit sind uns zu wandeln, können wir erreichen, dass sich Dinge zum Besseren ändern. "Hab keine Angst einen offenen Geist zu besitzen. Dein Gehirn wird nicht wegfliegen." im Original: "No tengas miedo de tener mente abierta, tu cerebro no va a salir volando." Das Zitat wird der EZLN in Mexiko zugeschrieben.

15 Kommentare zu „Alternative Medien der autonomen Szene“

    1. Habe es gelesen, sehe aber in deinem Bericht leider nicht eine Zeile dazu, wie man denn die eigene Öffentlichkeit / Presse / Medien aufbauen kann. Ich sehe nicht einmal einen Grund dafür, dies nicht zu tun. Du gehst auf dieses Thema gar nicht ein. Daher vermute ich hinter deinem Artikel eher eine Art „Abrechnung“, als konstruktives Arbeiten an einer Bewegung!

      1. Ich sehe auch keinen widerspruch zum aufbau eigener medien/eigene öffentlichkeit, teilweise gibt es die ja auch schon (indymedia), eigene fotografen, presseerklärungen, blogs und co und dem was ich geschrieben habe. öffentlichkeit ist wichtig. sehr sogar. kann dazu gerne auch nochmal was längeres schreiben. es sollte kein abrechnung sondern eine gegendarstellung bzw eine erweiterung der bedenkenliste sein.

        Solidarische Grüße! 😉

      2. Natürlich gibt es die eigene Presse schon, aber leider ist sie selten live und gerade in Zeiten immer stärker werdender Repressionen wird es immer wichtiger, live zu berichten.
        Wir hatten vor einigen Monaten mal eine Asamblea in Düsseldorf im Hauptbahnhof. Als die Polizei ankündigte uns alle festnehmen zu wollen, machten sich sofort Leute aus ganz Düsseldorf auf den Weg, weil sie das im Stream verfolgt hatten.
        Nur um mal ein Beispiel zu nennen, warum ich so auf die Live-Berichterstattung schwöre! 🙂
        Einem Video kann man immer vorwerfen, dass es bearbeitet, geschnitten wurde, usw. Aber ein Livestream bringt die ganze Demonstration ins Wohnzimmer der Zuschauer*Innen. Die Streams waren es auch, die in Spanien vor zwei Jahren die Massendemonstrationen ausgelöst haben.
        Twitter war das Werkzeug, weshalb sich in der Türkei die Menschen den Protesten anschlossen, genau wie in Brasilien, Bulgarien, Bosnien, usw..

        Ein verantwortungsvoller Umgang mit diesen Medien ist wichtig und liegt mir selbst auch sehr am Herzen. Aber wir müssen uns auch neu aufstellen und das Internet als ein wichtiges Werkzeug der „Revolution“ wahrnehmen. In Zeiten von PRISM, ACTA, Überwachungskameras der Bullen, die auf jeder Demo einfach so ausgepackt und angeschaltet werden, ist die Frage, wie sehr wir unseren Strukturen helfen, wenn wir nicht streamen. Bei Stuttgart 21 wurden mehrere Verfahren gegen Demonstrant*Innen aufgrund des Materials der Streamer*Innen eingestellt.
        Ich könnte jetzt noch zahlreiche weitere Beispiele liefern, aber das würde wohl ein wenig den Rahmen sprengen.
        Am Ende bleibt: Merkel hat gar nicht so Unrecht mit dem „Neuland Internet“. Denn wir nutzen bis heute nur einen Bruchteil unserer Möglichkeiten, was das Netz angeht. Auf der anderen Seite ist ein langsames Herantasten an ein solches Medium wahrscheinlich auch gesund! 🙂

  1. pst, man könnte einfach mal darauf verzichten eindeutige straftaten wie steineschmeissen, brandstiftung und körperverletzung zu begehen. dann gäb’s auch keine problem mit der dokumentation – weil übergriffe des staatlicher organe dann eindeutig nachgewiesen werden können.

    1. Ich weise darauf hin, dass man dies differenzierter betrachten sollte. Häufig werden Menschenleben geschützt, wenn Steine Richtung Polizei geschmissen werden. Ich rechtfertige damit keineswegs grundsätzlich das Mittel der Gewalt, aber ich warne davor zu verallgemeinern.
      In den achtziger Jahren wurden viele besetzte Häuser deshalb nicht geräumt, weil die Kosten für die Räumung so immens hoch waren, dass es für die Stadt günstiger war, die Besetzung zu tolerieren. Die meisten Protestbewegungen wurden von der Politik erst ernst- und wahrgenommen, nachdem sie sich gegen Polizeigewalt zu wehren wussten.
      Wer sich häufig Livestreams von Demonstrationen anschaut, der sieht sehr genau, dass in den allermeisten Fällen die Eskalation von der Polizei ausgeht und es gibt eben Gruppen, die sich nicht einfach zusammen knüppeln lassen. Die Strategien des Black Blocks oder der radikalen Linken sind deutlich vielschichtiger als sie auf den ersten Blick wirken. Und wer sie kritisieren will, sollte sich vorher genau damit auseinandergesetzt haben!

      1. „Häufig werden Menschenleben geschützt, wenn Steine Richtung Polizei geschmissen werden.“ >> Diese Begründung ist absurd – sorry. Wir leben nicht im Dritten Reich und auch nicht in einem autoritären Regime, bei dem „Menschenleben“ auf dem Spiel stehen, selbst wenn eine Verhaftung erfolgt – mit einer einzigen Ausnahe: wenn es um die Abschiebung von Flüchtlingen geht. Und die altbekannten Begründungen kenne ich auch – „schuld“ sind immer die anderen. Mit der kindischen Begründung der „Provokation“ tappen sich als links verstehende Aktivist*innen bereitwillig in die Gewaltfalle und sitzen dann dort mit unpolitischen alkoholisierten Hooligans und Erlebnistouristen rum, die den anarchistischen Moment ausnutzen, um mal ein bisschen Spass zu haben. Seltsam, dass sich politische denkende Menschen so einfach instrumentalisieren lassen, weil sie einfach nicht darauf verzichten können, aggressive Abwehrreflexe zu überwinden.

      2. Ich habe nur eine einzige Frage:
        Wie häufig warst du schon auf Demos im „linksradikalen“/antikapitalistischen Block und hast dich unnötiger Polizeigewalt ausgesetzt gesehen?
        Deine Aussagen machen deutlich, dass du dich weder selbst damit auseinander gesetzt hast, noch mit Menschen gesprochen hast, die es tun. Und die Aussage, wir würden nicht in einem diktatorischen Regime leben, zeigt, dass du auch von der deutschen Politik und Wirtschaft nicht viel Ahnung hast. Sonst wüsstest du, dass Deutschland ein von Gesetzen „legitimiertes“ diktatorisches System ist. Das macht es aber nicht besser für die Menschen die darin leben!

  2. Jo, gerne. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist das gesamte Buch online auf deren Seite durchlesbar und somit kostenlos 😉 Bin auch nicht mit denen in irgendeiner Weise verbandelt. Das scheint einfach eins der wenigen Bücher / Work-in-progress-Online-Projekte zu sein (einfach mal kurz auf der Webseite unter dem Reiter „Projekt“ deren Selbstverständnis überfliegen), welches im deutschsprachigen Raum diese Thematik behandelt. Hab übrigens die Erfahrung gemacht, dass die meisten Aktivisten, denen ich davon erzählt habe und die Social Media mässig unterwegs sind, ziemlich resistent gegen solche Handbücher sind 😉

    1. Ach, das hatte ich so noch gar nicht gesehen. Hab die Seite aber auch nur überflogen. Na umso besser, wenn sie es online kostenlos zum Lesen zur Verfügung stellen.
      Ich glaube, gerade der Antifa muss man viel Zeit geben, sich damit auseinander zu setzen. Sie hatte und hat am meisten unter Repressionen durch den Staat und auch durch die Nazis zu leiden und ist dementsprechend besonders vorsichtig. Das kann ich auch gut nachvollziehen. Deshalb versuche ich immer auf die Einwände und Bedenken sachlich einzugehen und lösungsorientiert zu arbeiten. 🙂

    1. Vielen Dank für den Hinweis… Es wäre nur schön, wenn du etwas detaillierter geschrieben hättest worum es dabei geht. So wirkt es ein wenig wie Werbung für etwas, was den User auch noch Geld kostet. Nicht falsch verstehen, ich weiß, dass die Produktion von Büchern nun mal Geld kostet, aber nicht jeder denkt so weit voraus! 😉

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